Donnerstag, 10. Oktober 2013

Film: Looper


Die Handlung von Looper sollte jeder Zuschauer für sich selbst entdecken und genießen können, deshalb möchte ich nichts verraten. Der Plot basiert auf einer sehr klugen Zeitreiseidee, die bis an ihr Extrem getrieben wird. Dabei ist der Handlungsbogen teilweise so anstrengend und ideenreich, dass man den Film kurz pausieren muss, um in Ruhe alle Möglichkeiten überdenken zu können. Die Story ist zudem gespickt mit Reprisen, Details und Foreshadowing, die viel zur Faszination beitragen.
Die intelligente Handlung erhält von mir bei isolierter Betrachtung locker die Bestnote, doch zeichnen einen guten Film schließlich noch viele andere Dinge aus: Charaktere, Gefühle, Musik, Bilder, Atmosphäre, Effekte, … In beinahe allen restlichen Aspekten liefert Looper leider nur durchschnittliche Kost. Mir persönlich sagt die reale und sehr brutale Science-Fiction-Welt wenig zu, auch die kalte Optik kann mich nicht begeistern. Die Dialoge gefallen mir dafür umso mehr, auch wenn mich die durchweg boshaften Figuren reichlich abstoßen.
Insgesamt ist Looper ist ein gelungener Science-Fiction-Film, der von seiner irrwitzig durchdachten Zeitreise-Story getragen wird. Fans von Matrix, Source Code und anderen Was-wäre-wenn-Bomben sollten Looper nicht verpassen!

8.0/10

Sonntag, 6. Oktober 2013

Roman: Joe Hill - Christmasland


Charlie Talent Manx fährt einen magischen 1938er-Rolls Royce mit dem Kennzeichen NOS4A2. Das Auto ist ihm eine große Hilfe dabei, Kinder zu entführen und diese ins Christmasland zu verschleppen, einem Ort, an dem Kinder auf ewig Kind sein können – zum Preis ihrer unschuldigen Seele. Bilderbuchautorin Victoria McQueen ist die einzige, die ihn aufhalten kann.

Der neueste Joe Hill-Roman „Christmasland“ wird Fans des Autors uneingeschränkt gefallen, kommt er doch mit allen üblichen Stärken (und Schwächen) daher. Das erste Drittel ist mal wieder der eigentliche Höhepunkt, denn die Einführung der Grundsituation und Charaktere ist sehr fantasievoll und hilft dem Leser schnell dabei, sich sämtliche Vorgänge zu Herzen zu nehmen. Rasch stellt sich wieder das typische Joe Hill-Feeling ein, bestehend aus fiesen Gefahren und unheimlich sympathischen, aber trotzdem echt wirkenden Figuren. Diese Authentizität gelingt vor allem durch die vielen Eigenheiten, die den Figuren mitgegeben werden. Die Charaktere sind wie immer das große Plus, kaum ein Autor charakterisiert seine Figuren so effektiv.

Auch die Handlung weiß zu begeistern. Besonders der Beginn überrascht durch einen intelligenten Umgang mit erzählter Zeit und Erzählzeit. Ich liebe Joe Hill dafür, dass er nicht bloß reine Horrorromane schreibt, sondern auch (in der Realität verortete) fantastische Elemente einbringt. Solch ein Element gibt es auch bei Christmasland und zieht sich durch die gesamte Handlung. Dies hebt den Roman deutlich von anderen Büchern gleichen Genres ab. Von Hills Romanen gleicht Christmasland dadurch noch am ehesten seiner genialen Comicreihe Locke & Key.
Zum Schluss hin wird die Handlung wie immer etwas actionreicher und auch linearer, Offenbarungen und Reprisen findet man leider nicht. Das ist zwar schade, da gerade der Beginn mit seinen vielen Charakteren, Orten und Erzählzeiten begeistert, dafür gewinnt der Plot zum Ende hin aber unheimlich an Fahrt und Spannung. Die letzten Seiten fliegen geradezu davon.

Auch Christmasland zeichnet sich durch den typischen Joe Hill-Schreibstil aus – und er wird immer besser! Bereits mit den ersten Seiten kommt das nur schwer zu beschreibende Feeling seiner Werke auf. Am ehesten ist sein Stil wohl zu bezeichnen als „Horror mit dem Herz am rechten Fleck“. Hills Wortwahl ist wie immer äußert präzise, Stimmungen und sogar ganze Welten werden durch nur wenige, aber umso effektivere Vokabeln beschrieben. Fremdwörter sind zwar vorhanden, wirken aber nie wie beabsichtigt ausgewählt, sondern gliedern sich perfekt in die flüssige Sprache ein.
Da ich mich nie bei Horrorromanen gruseln kann (dabei habe ich schon sehr viele gelesen), kann ich nicht hundertprozentig in Ausblick stellen, ob man sich auch bei Christmasland erschrecken wird. Zumindest führt Joe Hill zum ersten Mal eine sehr dynamische Sprache ein, die den zeitlichen Ablauf etwaiger Gruselstellen sehr detailliert beschreibt. Meines Empfindens nach ist Christmasland daher gruseliger als seine anderen Bücher.

Joe Hill enttäuscht auch mit dem neuesten Buch mal wieder nicht, stattdessen steht Christmasland auf einer Stufe mit seinen anderen Romanen. Die Genialität von Locke & Key scheint bereits durch, faltet sich aber nie komplett aus. Man kann also gespannt darauf sein, was uns als nächstes erwartet. Fans von Horrorbüchern der Marke Stephen King, Peter Straub oder Neil Gaiman sollten unbedingt zuschlagen – es lohnt sich!

9.0/10

Freitag, 4. Oktober 2013

TV: Heroes (Season 1)


Überall auf dem Planeten verteilt bemerken einige Menschen seltsame Veränderungen an sich selbst. Sie entwickeln ungeahnte Fähigkeiten, etwa zu fliegen oder sich selbst zu heilen. Und einer von ihnen blickt in die Zukunft und erfährt, dass eine riesige Explosion ganz New York vernichten wird.

Zu Beginn der Staffel ist der Zuschauer genauso im Unklaren über die Geschehnisse wie die Figuren selbst. Im gefühlten Sekundentakt fängt der Pilot die Schicksale verschiedener Charaktere und ihre Entdeckung der neuen Kräfte ein. Erst im weiteren Verlauf beginnt man, Zusammenhänge zu erblicken und die Heroes als Teil von etwas Größerem wahrzunehmen. Und spätestens dann fällt einem die Kinnlade aber so richtig herunter!
Solch eine spannende und ausgeklügelte Story ist mir selten untergekommen. Die Komplexität des Plots lässt sich nur schwer wiedergeben, weil darin so viele Figuren und Handlungen vereint werden. Allein der Umgang mit den verschiedenen Zeitebenen strotzt vor Einfallsreichtum.
In jeder Episode passieren sehr viele relevante Geschehnisse, Heroes leidet in keiner Minute unter Leerlauf. Stattdessen bietet sich dem Zuschauer Spannung pur, noch dazu durch die Cliffhanger, die eigentlich keine sind: Denn anstatt klassisch eine Frage aufzuwerfen (Wird XY den Sprung über die Klippe überleben?), endet jede Folge mit einer Auflösung. Anstatt dem Zuschauer also eine Antwort schuldig zu werden, reicht man ihm lieber eine und macht den Plot dadurch nur noch komplexer.
In der Reflektion mutet die Serie sogar wie ein raffiniert konstruiertes Brettspiel an. Denn die Fähigkeiten der Heroes wirken teilweise gegeneinander oder sind voneinander abhängig. So gibt es beispielsweise eine Figur, die ab einer gewissen Nähe dazu in der Lage ist, die Fähigkeiten der anderen Heroes zu blockieren.

Ich persönlich ging ziemlich unvorbereitet an die Serie heran. Deshalb möchte ich niemandem die Überraschung nehmen und alle Kräfte der Charaktere verraten. Doch es sei gesagt, dass sich die Autoren dabei wirklich viel haben einfallen lassen. Auf einige Dinge muss man erst mal kommen! Die Fähigkeiten haben immer latent etwas mit der Persönlichkeit eines jeden Charakters zu tun, ohne ins Symbolische abzudriften.
Generell sind alle Charaktere grundsympathisch, interessant und werden von klasse Darstellern gemimt. Jede Figur besitzt eine Hintergrundgeschichte, die (dem Zuschauer aber noch unbewusst) bereits in den ersten Folgen mitschwingt. Wer denkt sich so etwas Geniales nur aus?
Auch der Bösewicht kann sich sehen lassen. Kein Fiesling hat mich jemals so gefesselt. Seine Motive sind nachvollziehbar und seine Fertigkeiten faszinierend.

Wie man anhand der Zusammenfassung „Menschen mit Superkräften“ bereits erahnen kann, lehnt sich Heroes an Comics an. Ich persönlich hasse Superhelden, bin aber ein irrer Fan von modernen, klugen und ernsten Comics – und als solcher ist Heroes ein Traum. Die Comic-Ästhetik quillt der Serie aus allen Poren. Vor allem der Pilot bietet Kameraeinstellungen, die eher an ein Vertigo-Heft erinnern als an irgendetwas, das man sonst jemals im Fernsehen gesehen hat.
Die Dialoge sind ebenfalls hervorragend und erinnern über weite Strecken an die besten Graphic Novels der Neuzeit – denn anstatt sprachlich alles zu wiederholen, was der Zuschauer bereits durch die Kamera aufnimmt, tragen die tiefgründigen Dialoge lieber dazu bei, die dichte Atmosphäre noch weiter zu verdicken. (Nur die deutsche Übersetzung scheint den Untertiteln zufolge ziemlich nachlässig zu sein.)

Ich habe nur die erste Staffel von Heroes gesehen, diese ist aber in sich perfekt abgeschlossen. Da die weiteren Staffeln sehr schlecht bei den Fans ankommen, werde ich es bei Staffel 1 beruhen lassen und Heroes dafür als eine der besten Serien aller Zeiten handeln.
Ein Meisterstück episodischer Erzählkunst. Must see!

10.0/10

Dienstag, 1. Oktober 2013

Film: Sleepy Hollow


Als riesiger Fan von The Nightmare Before Christmas lasse ich mich regelmäßig von Tim Burton blenden: Seine anderen Filme enttäuschen regelmäßig. So geschehen auch beim mittlerweile schon 14 Jahre alten Horrorkrimi „Sleepy Hollow“.

Handwerklich ist auch Sleepy Hollow ausgezeichnet: Die Einstellungen sind brillante optische Kompositionen, doch stilistisch ist der Film mal wieder ein Graus. Mit seiner ziellosen Ulkigkeit schafft es Sleepy Hollow erneut, keinen seiner Vorsätze zu erfüllen. Der Wunsch, den Zuschauer zum Gruseln zu bringen, scheint immer durch, doch Burton stellt die gesamte Welt dermaßen verkitscht dar, dass es ungewollt amüsant erscheint.
Vor durchgängig grauen Tapeten und schwarzen, knochigen, blattlosen Bäumen breitet der Film eine seltsame Ästhetik aus: Da gibt es Angeklagte in romantisch verzierten, hautengen Folterinstrumenten, kopflose Reiter mit brennenden Kürbisköpfen und aschfahle Hexen mit meterlangen Stielaugen. Wenn dann der wie immer etwas überbewertete Johnny Depp eine Leiche untersucht und dabei eine golden schimmernde Vergrößerungsbrille mit anmontierten Teleskopgläsern hervorholt, hört bei mir alles auf.
Der Plot verwebt die Genres (Kinder-)Grusel und Krimi miteinander, ist ansonsten aber nicht weiter erwähnenswert. Die Handlung ist schnell vergessen und teilweise etwas dilettantisch aufgebaut, genannt sei hier nur die absolut unlogische und abrupte Romanze. Zum Abschluss des Krimistrangs werden aber wenigstens alle vorher ausgeworfenen Fäden zusammengeführt. Auf der Charakterseite gibt es ebenso wenig Enthusiastisches zu berichten, wirken die Figuren doch alle eher wie Schachfiguren mit einer spezifisch für den Plot zugewiesenen Funktion.
Komplettiert wird das Ganze von gewohnt verträumt bis klimperiger Danny Elfman-Musik. Es ist schade, dass er fast ausschließlich mit Tim Burton zusammenarbeitet, ich würde seine Musik gerne mal wieder in anderen Filmen wie etwa Spider-Man hören. Mit Tim Burton liefert er immergleiche, zu den Bildern passende Klimmbimm-Traumszenarien.

Sleepy Hollow ist ein Halloween-Film für das Publik von Disney Channel und superRTL: Kitschige Effekthascherei trifft auf seltsame Ulkigkeit. Tim Burton-Fans werden mit Sleepy Hollow sicherlich ihre Freude haben, besitzt schließlich auch dieser Film alle Stärken seiner anderen Werke. Für mich aber leider nichts.

3.5/10

Montag, 30. September 2013

Roman: Wally Lamb – Die Musik der Wale


Der Roman schildert das Leben des jungen Mädchens Dolores mit all seinen schweren Prüfungen. Ihr Vater ist ein Ehebrecher, die Mutter erleidet eine Abtreibung und wird darauf in die psychiatrische Anstalt eingewiesen. Mit diesen Ereignissen beginnt aber erst der lange Weg von Hauptfigur Dolores.

Bücher wie „Die Musik der Wale“ gibt es zuhauf. Manche nennen diese Leidensgeschichten, noch ohne sie überhaupt gelesen zu haben, „große Literatur“, mit gefällt der Begriff „Schicksalsbiografie“ dagegen besser. Im Stile von Charles Dickens, Khaled Hosseini, Willy Russell & Co breitet auch Wally Lamb die (tragische) Biografie einer fiktiven Figur aus.
Der Schlüssel zum Erfolg bei dieser Art von Roman liegt meiner Ansicht nach in den Charakteren. Nicht nur der Protagonist muss dem Leser durch seine Beobachtungen, Eigenheiten und Erlebnisse ans Herz wachsen, sondern auch die Figuren, die ihm auf dem Weg begegnen. Als Beispiel sei bloß Charles Dickens erwähnt: Die meisten Leser werden sich sicher noch besser an Mr. Micabwer und Uriah Heep erinnern als an David Copperfield selbst.
Das größte Problem an den Nebenfiguren aus „Die Musik der Wale“ ist aber, dass diese selten auftauchen und schnell wieder verschwinden. Dolores begegnet in ihren einzelnen Lebensabschnitten vielen Menschen, diese sind aber immer nur sporadische Begleiter.  Dafür ist die Charakterzeichnung durchaus gelungen, wenn auch ein anderes Ergebnis erreicht werden möchte als in verträumteren Büchern. Wally Lambs Figuren kommen nämlich reichlich unsympathisch und dafür umso authentischer daher. Diesem Stile folgend gibt es kaum herzerweichende Momente.
Ausgerechnet Hauptfigur Dolores ist eine der unliebsamsten Figuren. Zwar hat sie im Verlauf der Handlung viel zu leiden und einige Konflikte auszustehen, jedoch möchte sich nie eine innige Beziehung zu ihr einstellen. Denn Dolores ist teilweise richtig fies zu ihren Mitmenschen und lügt sich durch die Welt.
Ich möchte die gewagte These aufstellen, dass weibliche Leser Dolores jedoch gern haben werden. Denn diese werden ihr sicherlich nachsehen, wenn sie willkürlich und gemein handelt, da die Welt ihr gegenüber schließlich ziemlich fies ist. Diese Nachsicht erwartet der Autor von allen Lesern; Zumindest mir geht es aber so, dass ich Dolores eben nicht alles nachsehen kann. Wenn Person A und Situation B schlecht zu mir sind, warum sollte ich dann böse auf Person C sein? Es handelt sich generell um ein Buch für eine weibliche Zielgruppe, geht es doch um Themen wie Fettleibigkeit, Abtreibung, Mobbing, Vergewaltigung und Ehebruch.
Im geradlinigen Plot gibt es keine Reprisen oder überraschenden Wendungen der Marke: „Ach deswegen hat Person F vor 20 Jahren so gehandelt. Hätte ich das gewusst!“ Sprachlich bewegt sich Wally Lamb auf einem durchschnittlichen Niveau, dabei sollte solch ein Roman auf dieser Ebene eigentlich mehr bieten. 

Dolores wirkt zwar wenig sympathisch, dafür aber unglaublich real. Dies ist dann auch der größte Verdient des Romans. Wer Lust auf eine moderne Schicksalsbiografie ohne rührende, dafür aber mit umso authentischeren Momenten hat, sollte mal einen Blick hineinwerfen. Für Freunde von rührender und literarischer Kost der Marke Dickens ist „Die Musik der Wale“ dagegen nicht zu empfehlen.

6.0/10

Montag, 23. September 2013

TV: Party Down


In „Party Down“ dreht sich alles um eine Firma, die kleinere Veranstaltungen organisiert. Deren Angestellte betrachten ihren Job jedoch nur als trostlose Gehaltsmaschine, wollen sie doch alle im Entertainment-Business von Los Angeles Fuß fassen.

Jede Episode folgt dem gleichen Prinzip: Die Figuren befinden sich am Arbeitsplatz auf der Party und der Zuschauer begleitet ihren Arbeitsalltag inklusive Vor- und Nachbereitung, aber immer am Veranstaltungsort. Während der Arbeit unterhalten sich die Mitarbeiter (in meist gleichen Konstellationen) miteinander und es kommt zusätzlich zur Interaktion mit den Gästen. – Der Motor dieser Comedy-Serie ist äußerst simpel.
Die Partys sind halbwegs kurios, so organisiert die Firma etwa eine After-Party für eine Porno-Award-Show, eine Singlebörse inklusive Sex-Seminar für Senioren oder ein Clubtreffen für junge US-Konservative. Leider generiert das Drehbuch nur sehr wenig Witz aus dem Konzept, stattdessen ist der Humor unglaublich trocken.
Die gesamte Serie durchzieht eine verschlafene und dröge Stimmung. So werden etwa die Partys von den Figuren immer als wertlos dargestellt. Keiner der Mitarbeiter hat echtes Interesse an seinem Job, stattdessen kommentieren sie die Situationen sarkastisch und sprechen enttäuscht von ihrem großen Traum. Untereinander sind die Mitarbeiter nicht viel freundlicher, die Stimmung ist noch geknickter als Charlie Browns „Depressionshaltung“ mit den hängenden Schultern.
Wie schon bei The Office stellt sich auch bei dieser Arbeitsplatzkomödie die eingeschränkte Kulisse als großes Hindernis heraus. Dadurch entsteht nicht nur Monotonie bei den Mitarbeitern, sondern auch beim Zuschauer. Noch dazu betrachten wir die Figuren immer bei den gleichen Tätigkeiten: An der Bar, beim Snacks verteilen oder beim leichten Disput in der Küche.
Die wenigen Pointen in den Dialogen werden durch die ständigen „fuck“- und „fucking“-Ausdrücke gänzlich eliminiert, als seien diese ein adäquater Ersatz für Humor. Die Schauspieler verstehen sowieso wenig von humorvollem Vortrag und Timing, stattdessen gehen sie in der Tristesse ihrer Charaktere auf. Wenn überhaupt Lacher entstehen, dann durch peinliche Missgeschicke. Die Gag-Dichte ist somit eher gering, auch wenn man einige Male pro Episode lachen kann.

Als Liebhaber von leichtherzigen und mitfühlenden Komödien ist Party Down leider nichts für mich. Freunde von The Office und anderen Comedy-Serien mit eigentlich unangenehmen Umgebungen sollten aber mal einen Blick riskieren.

4.5/10

Freitag, 20. September 2013

TV: Under The Dome (Staffel 1)


Plot: Die US-Kleinstadt Chester’s Mill wird von einer riesigen unsichtbaren Kuppel eingeschlossen, der Kontakt mit der Außenwelt ist nicht mehr möglich. Die Bewohner kämpfen aber nicht nur gegen die chaotische Situation an, sondern auch gegeneinander.

Was habe ich mich auf diese Serie gefreut! Ich bin ein enormer Fan von Stephen King. Hat er in den 90er-Jahren arg geschwächelt, schreibt er seit Mitte der 2000er wieder einen Top-Roman nach dem anderen. Eine seiner besten Geschichten („Die Arena“) bildet die Basis für die Serie. Meine Begeisterung schoss noch weiter in die Höhe, als ich erfuhr, dass Brian K. Vaughan für die Umsetzung verantwortlich sein wird. Vaughan zählt zu meinen Lieblings-Comic-Schriftstellern, stammen von ihm doch geniale Reihen wie Y: The Last Man, Runaways oder Ex Machina. Außerdem wirkte er an den Drehbüchern der großartigen dritten und vierten Staffel von Lost mit.
Abgerundet werden die perfekten Grundvoraussetzungen durch Steven Spielberg und Stephen King als Executive Producer, einem großen Budget und dem aus Breaking Bad bekannten Schauspieler Dean Norris. Leider schafft es Under The Dome nie, etwas aus dem großartigen Bodensatz zu machen.

Vaughan hat sich nicht auf der guten Vorlage ausgeruht, sondern strickt seine eigene Geschichte. Gemeinsamkeiten mit dem Roman sind nur durch die Ausgangssituation und einige Charaktere gegeben. Dies ist auch der Grund, warum zum Start viele Fans die Serie kleinredeten, weshalb Stephen King sich sogar in einem offenen Brief dazu bewegen ließ, die Fernsehumsetzung zu verteidigen. Mir persönlich ist es egal, ob die Serie stark vom Buch abweicht, solange sie funktioniert.
Doch das tut sie leider nicht. Eine Mystery-Serie zeichnet sich für mich durch eine spannende Handlung und ein durchdachtes Erzählmodell aus. Spannend ist der Plot aber leider nur bedingt, weil zwar sehr viele Probleme auftauchen, diese aber auch genauso schnell wieder gelöst werden; meist sogar noch in der gleichen Folge. (Maxines Mutter, schwierige Wasserversorgung, Plündereien) Das ist schade, denn zwar ist Abwechslung durch die schnelle Aufreihung von Konflikten gegeben, es wird aus den Konflikten aber nicht das Maximum herausgeholt. Durch das schnelle Lösen eins jeden Problems wirken die einzelnen Episoden zu abgeschlossen. Generell hat man den Eindruck, dass die Autoren getrennt voneinander gearbeitet haben, denn es werden viele begonnene Handlungsstränge nicht oder nur unzureichend weitergeknüpft.
Mit einem durchdachten Erzählmodell meine ich die in Mystery-Serien übliche Erzählweise, dass man nach und nach durch Rückblicke mehr über die Charaktere erfährt, sich einige Geschehnisse überlagern und schon früh Andeutungen auf die Zukunft gemacht werden. Dies hat Under The Dome aber alles nicht, die Erzählung ist stattdessen streng linear.
Rückblicke würden sich auch gar nicht anbieten, weil kaum eine Figur eine Hintergrundgeschichte hat. Sowieso sind die Charaktere überraschend flach und klischeehaft. Ein weiteres Problem an den Figuren ist, dass es nicht genügend gibt. Die Romanvorlage befasst sich mit einer riesigen Anzahl von Menschen und weiß ihre Schicksale geschickt miteinander zu verweben, bei Under The Dome ist die Auswahl der Aktanten jedoch viel kleiner. Noch dazu sind gleich vier Schlüsselcharaktere noch im Schulalter, weshalb eine spannende Back-Story sowieso hinfällig ist.
Vor allem die jungen Figuren fallen dem Zuschauer sehr schnell auf die Nerven, was nicht nur an den teilweise platten Dialogen und konfusen Handlungen liegt, sondern an den fast durchweg drittklassigen Schauspielern. Das ganze Ensemble ist sehr glatt gecastet, niemand ist als Charakterdarsteller zu bezeichnen. Selbst Dean Norris beißt sich eher schlecht als recht in der immer gleichen Art durch seine Zeilen.

Zu Beginn war Under The Dome noch als abgeschlossene Miniserie von nur 13 Episoden angelegt, nach den tollen Quoten wurde sie aber schnell um eine zweite Staffel verlängert. Dies merkt man leider deutlich, schleichen sich doch immer mehr übernatürliche Elemente ein. Durch die seltsamen Produktionsbedingungen erhält man eine Serie, die eigentlich geschrieben ist wie eine Fall-Season-Show (24 Episoden), aber nur mit 13 Folgen aufwarten kann und daher sehr gehetzt daherkommt. Die erste Hälfte der Staffel hat mir besser gefallen.
Man darf mich nicht falsch verstehen: Under The Dome ist definitiv keine schlechte Serie, so sind etwa die visuellen Effekte für eine Fernsehproduktion herausragend, die Konflikte sind zahl- und abwechslungsreich und die Ausgangssituation ist unglaublich spannend. Es ist nur schade, zu sehen, dass daraus mit ein wenig mehr Überlegung wirklich die TV-Sensation hätte werden können, als die sie vermarktet wurde.

6.0/10

Sonntag, 15. September 2013

Roman: Tommy Jaud - Hummeldumm


Der Irgendwas-mit-Technik-Jobber Matze macht mit seiner Freundin eine zweiwöchige Gruppenreise durch Namibia. Die anderen Mitfahrer gehen ihm dabei gewaltig auf die Nerven. Außerdem hat Matze nirgends guten Handyempfang und er hat seinen Steckdosenadapter vergessen. – Das ist leider schon der gesamte Plot.

Mein Verhältnis zu Tommy Jaud ist seltsam. Obwohl ich kein Fan von ihm bin, habe ich alle seine Bücher gelesen, da ich mich im popkulturellen Geschehen auch innerdeutsch auf dem Laufenden halten möchte. Jauds Werk hat bei mir die Wertung „5.0 – okay“ gepachtet, seine Romane sind alles andere als gut, aber auch nicht unterirdisch. Dementsprechend verwundert war ich über Denis Schecks Verriss des neuesten Buches „Hummeldumm“. Eins vorweg: Herr Scheck behält Recht.

Das größte Problem an Hummeldumm ist die magere Handlung, die mit unnötigen Konflikten aufgeladen ist. Hauptfigur Matze etwa ist einfach zu dumm und zu stolz, seiner Freundin ins Gesicht zu sagen „Es gibt ein Problem mit der Wohnung, um die ich mich kümmern wollte“. Deshalb versucht er heimlich zu telefonieren, sein Handy ohne Adapter aufzuladen und überhaupt erst einmal Funk zu bekommen. Jaud beschenkt uns hier mit einem der banalsten Figurenziele der Literaturgeschichte.
Die Hauptfigur Matze handelt, spricht und schreibt wie ein ignorantes Arschloch, sachter kann man es nicht formulieren. Das in Hummeldumm zu findende Weltbild ist derart konservativ, ignorant und herablassend, dass einem mit jeder Zeile die Schläfe pocht. Nehmen wir etwa die Rollenverteilung: Laut Matze habe sich die Frau um alles zu kümmern, auch um den Urlaub. Umso unverständlicher ist es dann, dass er seine Freundin derartig ankeift wegen der gebuchten Gruppenreise, noch dazu erst am Zielort. Wenn Matze sich dann später sogar beschwert, er sei zu fett wegen seiner Freundin (!), weil sie nicht auf seine (!!) Ernährung achte, hört alles auf.

Der selbstbetitelte „Comedy-Roman“ versucht Witze meist dadurch zu erzeugen, dass Matze im Geiste seine Mitreisenden niederredet. So liest man etwa von (O-Ton!) „Kevin, dem Müsliriegel-Ossi“ oder „Gruberin, dem alten Rosinengesicht“. (Jaud scheint eine Vorliebe für die erste Mahlzeit des Tages zu haben) Eine andere beliebte Methode sind absurde Vergleiche, die in einem Rap-Song besser aufgehoben wären, zum Beispiel „wie ein Zyklop im 3D-Kino“.
Ab und an musste ich pikiert lachen, wobei dies bei so vielen Witzchen kein Kunststück ist. Denn pro Seite schlagen einem mindestens drei verkrampfte Witzchen entgegen, der Roman hat aber 300 Seiten – dass man dann an nur fünf Stellen tatsächlich lachen muss, halte ich deshalb eher für armselig. Pikiert lacht man übrigens deshalb, weil man sich für das bodenlose Niveau schämt, etwa wenn die Hauptfigur aus Bosheit in ein fremdes Zelt kackt.

Ich sage es immer wieder: Eine Komödie soll Spaß machen, und positive Gefühle spürt man am leichtesten, wenn man diese auch vorgeführt bekommt. Genauso wenig wie man über einen Folterfilm lacht, wird man daher bei Hummeldumm schmunzeln, denn die Figuren giften sich permanent an. Permanent! Matze hasst alle seine Mitreisenden und redet sie nieder, geschildert werden nur Gehässigkeiten und Lästereien, Intrigen und Wutanfälle. Wie soll man darüber bitte lachen? Muss einem nach solch einer langen Karriere im Business immer noch erklärt werden, wie Humor überhaupt funktioniert?

Hummeldumm ist ein „Roman“ für den deutschen Meckerfritzen: Voller Neid, Überheblichkeiten, Rechthabereien, Schuldzuweisungen, Vorurteilen, Betrügereien und Lügen. Wer beim sonntäglichen Kaffeetrinken über Anke Engelkes Sketche brüllt und von Mario Barth wie von einem Gott spricht, der wird vielleicht auch mit Hummeldumm seine Freude haben. Für mich zumindest war es das letzte Buch von Tommy Jaud.

1.5/10

Freitag, 13. September 2013

Film: Alexandre Ajas Maniac (Uncut)


Anders als der deutsche Titel vermuten lässt, ist der Streifen nicht von Alexandre Aja gedreht, dieser hat ihn lediglich produziert und das Drehbuch geschrieben. Mit dem Draufklatschen seines Namens pushte er stattdessen die Regiearbeit seines Landsmannes Franck Khalfoun.
Trotzdem könnte man vermuten, dass es sich um einen Aja-Film handelt, sieht Maniac doch aus wie der typische französische Horrorstreifen: Die Umgebung ist eine kalte, urbane Moderne, die Kamera zeichnet sich durch lange Einstellungen, Gewackel und dem rigorosen Draufhalten bei extrem derben Gewaltszenen aus und es wird versucht, mit möglichst wenigen digitalen Effekten auszukommen.
Der Clou ist die Ich-Perspektive, denn der gesamte Film ist aus der Sicht des Serienkillers Frank (Elijah Wood) gedreht. Der Kniff an dieser tollen Idee ist, dass man sich immer vorstellt, wie die Situation wohl aus der anderen Seite aussieht. Noch dazu ist es ein viel heftigeres Erleben von Gewalt, wenn man wortwörtlich mittendrin ist statt nur dabei.
Die ersten Minuten vor der Titelanzeige haben mich deshalb geschockt wie gleichermaßen gegruselt. Doch dieser perspektivische Effekt nutzte sich schnell ab und nervte bald nur noch. Der Kamerastil erinnerte mich insgesamt stark an einen meiner persönlichen Hassfilme, dem französischen „Irreversible“.

Obwohl Maniac nicht einmal 90 Minuten andauert, fühlt es sich weit länger an, denn sämtliche brachliegende Stellen zwischen den Morden werden nur schlecht aufgefüllt. Das Drehbuch mit seiner langweiligen und mageren Handlung ist deshalb auch die größte Schwäche. Noch dazu klingen viele Dialoge wie aus dem Französischen ins Englische übersetzt. 
Die wichtigste Frage lautet aber: Ist Maniac gruselig? Das ist mit einem eingeschränkten Ja zu beantworten. Denn der komplett ohne Scare Jumps auskommende Streifen löst permanent ein Gefühl von Unbehagen und Beklemmung aus, kann dies aber nie ganz auf die Spitze treiben. Selbst in den heftigen und brutalen Gewaltszenen beginnt das Herz nicht zu rasen. Das liegt wohl auch daran, dass die Gewalt zwar rein optisch extrem hart ist, dafür aber die akustische Seite vernachlässigt wird. Denn (gnädigerweise) hört man hier nicht die Opfer wie am Spieß schreien.  (Ich habe die Uncut-Variante gesehen, darauf sollte man auch unbedingt achten. Wie am Schnittbericht ersichtlich wird, fehlen in der gekürzten Variante sämtliche Szenen, die den Film auszeichnen.)

Unverständlich ist für mich das viele Lob, das Elijah Wood für seine Darbietung einheimst. Zum einen sieht man sein Gesicht nur in zwei bis drei Szenen, also kann man sowieso nur die akustische Leistung bewerten. (Wodurch eine Bewertung noch absurder wird, weil die meisten sicherlich die deutsche synchronisierte Fassung gesehen haben werden.) Woods immergleiche kalte Sprechweise nervt somit genauso schnell wie die Perspektive, noch dazu klingen einige Szenen stark nach schlechtem Voice-Over. Das Lächerliche an seiner kalten Intonation tritt dann zutage, wenn er sich mit anderen Menschen ganz gewöhnlich unterhält und die Reaktionen des Gegenübers partout nicht zu seiner Stimmlage passen. Dennoch gibt es einige wenige Szenen (witzigerweise immer diejenigen, in denen man sein Gesicht sieht), in denen er sein wahres Schauspieltalent zeigen darf.
Vor allem die weibliche Hauptrolle spielt total daneben, gut zu sehen ist das in Momenten, in denen sie sich verabschiedet, Frank aber noch etwas hinterherruft und sie darauf reagiert. Ihre Abgänge und Erwiderungen sehen dabei nicht nur steif aus, sondern klingen auch einstudiert.

Durch die eindringliche Perspektive und die finstere Machart bleibt Maniac im Langzeitgedächtnis hängen und man könnte meinen, man hätte es mit einem echten Schocker zu tun. Dieser Eindruck trügt aber, da man sich im Moment des Ansehens über weite Strecken langweilen wird. Maniac ist damit nicht unterhaltsam, aber einprägsam.

5.0/10

Mittwoch, 11. September 2013

Roman: Walter Moers – Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär


„Ein Blaubär hat siebenundzwanzig Leben. Dreizehneinhalb davon werde ich in diesem Buch preisgeben, über die anderen werde ich schweigen. Ein Bär muss seine dunklen Seiten haben, das macht ihn attraktiv und mysteriös.“

Der erste Roman von Moers’ großartiger Zamonien-Reihe hat weniger mit dem Fischstäbchenliebhaber aus der Sendung mit der Maus gemein, als man zunächst annehmen könnte. Es handelt sich um eine völlig eigenständige, biografische Ich-Erzählung eines blauen Bären.
Das Besondere an diesem Roman ist der unendliche Fantasiereichtum. Moers kreiert eine riesige, in sich schlüssige Welt voller Verrücktheiten: Es gibt Dimensionslöcher, Lügengladiatoren, Traumorgeln, Zeit-Wirbelstürme und tausend andere aberwitzige Dinge. Die Figuren sind ähnlich kurios, so etwa ein Flugsaurier, der Personen in letzter Sekunde rettet und passenderweise Deus X. Machina heißt.
Der blaue Bär erlebt auf seiner Reise zahlreiche Abenteuer, Stillstand kehrt niemals ein. Es ist der große Verdienst dieses Romans, eine Achterbahn der Fantasie zu erschaffen. Wie bei Moers üblich ist dabei alles miteinander verknüpft, das Lesen wird also von Seite zu Seite spannender. Denn es stellen sich zahlreiche Dinge aus vorherigen Abschnitten, die man als vermeintliche Details abtat, als plötzlich bedeutsam heraus.
Obwohl das Buch in Zamonien spielt, hat die Welt wenig gemein mit dem Zamonien aus „Rumo“ und „Die Stadt der träumenden Bücher“. Denn hier ist die ganze Umgebung noch etwas verträumter und weniger düster. Bei Käpt’n Blaubär handelt es sich somit um den freundlichsten Zamonien-Roman.
Auch sprachlich gelingt es Moers auf ganze Linie, seine Leser zu packen. Seine Sprache kommt ohne hochstechende Wörter aus, und gerade das macht es so faszinierend. Uns offenbart sich ein unheimlich kreativer und humorvoller Umgang mit dem allgemeinen Wortschatz. Die zahlreichen actiongeladenen Vorgänge werden ebenso prächtig geschildert. Dazu finden sich noch zahlreiche Zeichnungen vom Autoren persönlich, die das Geschehen passend untermalen.
Käpt’n Blaubärs fantastisches Abenteuer schrammt nur deshalb an der Höchstwertung vorbei, weil Charaktere und Gefühle noch nicht so herausragend sind wie bei späteren Zamonien-Büchern, das gleiche gilt für Plot-Twists. Dennoch ist dieser Roman ein wunderbares Stück Literatur, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!


9.0/10